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SPD-Abteilung 12 | Helmholtzplatz

Helene Schmitz

1874-1945, Bornholmer Str. 99


Helene Schmitz (Vorwärts 23.05.1928)

Die Revolution von 1919 brachte den Frauen nicht nur das Recht, zu wählen, sondern auch gewählt zu werden. Helene Schmitz war eine der ersten, die dieses Recht wahrnehmen konnte. Sie diente der SPD bis 1919 in verschiedenen Funktionen und der Weimarer Republik von 1919 bis 1932 im Stadtparlament und dem preußischen Landtag als selbstbewusste Frau. Ihr Mann erinnerte sich an sie als „von Natur aus resolut und ausgesprochen kämpferisch veranlagt.“ Ihre Vorträge und Artikel im Vorwärts spiegeln das wider. Sie war in sozialen Fragen bewandert und stand immer an Seite der Schwachen. Der Nationalsozialismus brachte das alles zu einem Ende. Politisch verfolgt und überwacht verstarb sie kurz vor Ende der Befreiung.

Geboren wurde Helene Schmitz als Helene Hüser am 18.3.1874 in Elberfeld als Tochter eines Schuhmachers. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte sie eine Lehre als Posamentiererin und arbeitete anschließend in ihrem Berufsfeld. Posamente sind Zierelemente auf Stoffprodukten, die keine eigenständige Funktion haben. Bis zu ihrer Heirat 1894 war sie Meisterin und Abteilungsleiterin in einer Elberfelder Fabrik zur Herstellung von Zierborten.

Als sie 1894 ihren Ehemann August Schmitz, Schlosser, heiratete, war es damit vorbei – von da an war sie Hausfrau. Ganz ausfüllend war das für sie nicht: Sie trat der SPD bei und nahm verschiedene Funktionen in der Elberfelder Partei wahr. So nahm sie 1904 am Parteitag der SPD teil. Sie gehörte 1898 zu den Gründern des Konsumvereins „Vorwärts-Befreiung“. Vermutlich legte sie in dieser Zeit ihren evangelischen Glauben ab und wurde Dissidentin (religionslos).

Das Ehepaar Schmitz zog 1910 nach Berlin, wo ihr Mann Anstellung bei dem Verband der Lebensmittel- und Getränkearbeiter fand, einer Gewerkschaft. Helene Schmitz war weiter politisch in der SPD aktiv und wurde bereits 1916 in den SPD-Bezirksvorstand gewählt (das entspricht dem heutigen Landesvorstand).
Die Not des verlorenen Krieges führte 1919 zu einer neuen Organisation in der SPD: die Arbeiterwohlfahrt wurde am 13. Dezember 1919 als „Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt in der SPD“ gegründet. Die Arbeiterwohlfahrt war die Selbsthilfe der Arbeiterschaft. Schwerpunkt war zuerst die Linderung der Not der durch den Ersten Weltkrieg Geschädigten, später wurde sie zu einer Hilfsorganisation für alle Bedürftigen. Helene Schmitz gehörte dem Vorstand von 1919 bis zum Verbot 1933 an.

Die Revolution von 1918 befreite auch die Frauen aus der politischen Unmündigkeit – bis dahin durften sie weder gewählt werden noch wählen. Für Helene Schmitz legte das den Grundstein für eine jahrzehntelange Karriere in Parlamenten. Bereits bei der Stadtverordnetenwahl 1919 wurde sie im Wahlkreis 4 (Prenzlauer Berg) gewählt. Zweimal wurde sie wiedergewählt (1920 und 1921). Dem Stadtparlament gehörte sie bis 1926 an. Vergeblich kandidierte sie 1924 für den preußischen Landtag, rückte aber 1925 für den verstorbenen Dr. Hermann Weyl nach und verlor ihr Mandat erst 1932 wieder.

Die Wahl von 1932 war für Deutschland eine Schicksalswahl, obwohl es sich „nur“ um eine preußische Wahl handelte. Im Wahlkampf machte sich Helene Schmitz stark für die Wiederwahl Otto Brauns und zählte die Erfolge der sozialdemokratischen Regierungen in Preußen auf, wie der Vorwärts vom 14.04.1932 berichtet: „Das Schicksal Preußens ist das Schicksal der Arbeiterschaft. Unter der Regierung Braun-Severing ist trotz des verlorenen Krieges, trotz Not und Elend eine ungeheure Arbeit geleistet worden. Da sind die großzügigen Maßnahmen in der Wohlfahrtspolitik: die Säuglichkeitssterblichkeit konnte gegenüber der Vorkriegszeit von 17 Proz. Auf 6 bis 7 Proz. Herabgesetzt werden. Durch den Ausbau der Krankenkassen und großzügige gesundheitliche Maßnahmen in den Schulen wurde die Volksgesundheit gehoben. Gerade für die Jugend ist Großes geleistet worden, Jugendherbergen wurden überall errichtet, jugendfürsorgerische Maßnahmen betreuen sämtliche Jugendlichen in ganz Preußen. In der Justizverwaltung wurde der humane Strafvollzug eingeführt: soziale Gerichtshilfe und Gefangenenfürsorge leisten Großes auf dem Gebiet. Der Wohnungsbau wurde großzügig angefaßt, seit der Inflation wurden in Preußen anderthalb Millionen Wohnungen hergestellt. Diese Liste könnte auf allen Gebieten ins Unendliche ausgeführt werden. Wenn wir diese Errungenschaften behalten und weiter ausbauen wollen, dann müssen wir Preußen behalten, dann müssen alle Frauen Braun und Severing wählen (Lebhafter Beifall).“ Sie zog damit auch ein Resümee ihres Wirkens, der Einsatz war aber vergeblich. Mit dieser Wahl verlor die „Weimarer Koalition“ in Preußen ihre Mehrheit, das demokratische Bollwerk im Reich war geschliffen. Nur kurze Zeit später wurde das demokratische und soziale Preußen durch den sogenannten „Preußenschlag“ komplett ausgelöscht und den Nazis so willfährig der Weg bereitet.

Die Machtübergabe an die Nazis im Januar 1933 im Reich war für das Ehepaar Schmitz ein tiefer Eingriff in ihr Leben. Ihr Mann verlor seine Stellung im Zuge der Gleichschaltung der Gewerkschaften. Damals schon 60 Jahre alt fand er keine Stelle mehr und seine Rente wurde ihm auch nicht mehr ausgezahlt, da das Vermögen der Gewerkschaften einschließlich ihrer Rentenkassen eingezogen worden war. Aufgrund ihrer politischen Tätigkeit wurde Helene Schmitz von der Gestapo überwacht, was einen so großen Druck bedeutete, dass das Ehepaar sich entschloss, umzuziehen, wie sich August Schmitz 1952 erinnerte: „Unsere jahrelange Arbeit für die SPD war natürlich noch ein mitbelastendes Moment bei der Auseinandersetzung mit den Nazis. … Die tägliche Bespitzelung wurde so unangenehm, dass wir uns entschlossen, unsere Wohnung in der Bornholmer Straße [zum September 1939] aufzugeben. Unser Häuschen in Frohnau wurde zum Sammelpunkt der alten Kollegen und auch Naziverfolgten, ständig kamen Gertrud Scholz und Johannes Haß … und Minna Todenhagen.“

Das Haus, ihr neues Refugium, wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört und das betagte Ehepaar musste in eine Kellerwohnung in der Nähe umziehen. Die Befreiung vom Nationalsozialismus und das Ende des Krieges erlebte Helene Schmitz nicht mehr. Wenige Tage vor der Kapitulation starb Helene Schmitz am 4.5.1945 an einem Gehirnschlag. Ihr Mann musste sie in einer selbstgebauten Kiste beerdigen.