Header-Bild

SPD-Abteilung 12 | Helmholtzplatz

Hilde Beldner

1911-unbekannt, Lychener Str.

„G: Hilde Beldner (geb. 1911), Modistin, nach 1933 wegen Tätigkeit für SJVD 2 ½ Jahre Zuchthaus“. Diese Zeile findet sich im biographischen Handbuch der deut-schen Emigration nach 1933, aber nicht unter ihrem Namen, sondern dem ihres Bruders, Erich Schmidt (Das G steht für Geschwister). Viel mehr ist nicht geblieben, sieht man von den Buch über Widerstand in Berlin von Hans Rainer Sandvoß ab, der tatsächlich noch mit Hilde Beldner, geborene Schmidt, über ihren Lebensweg sprechen konnte.

Was man sich erschließen kann, deutet darauf hin, dass sie ganz im Sinne des sozialdemokratischen Volksliedes „Sohn des Volkes“ aufgewachsen ist: „Es stand meine Wiege im niedrigen Haus, die Sorgen, die gingen drin ein und drin aus“. Nur das Hilde Beldner nicht ein Sohn des Volkes war, sondern eine Tochter.

Geboren wurde sie in ein klassisch sozialdemokratisches Elternhaus als Hilde Schmidt. Ihr Vater Paul Schmidt (*1883), gelernter Hutmacher, brachte nicht viel Geld nach Hause und oft musste die Mutter ihn am Zahltag aus der Kneipe holen. Von ihr dürfte sie das anpacken gelernt haben. Anna Schmidt, geboren 1889 als Tochter eines Schriftsetzers, lernte nach der Volksschule Buchhalterin, arbeitete dann aber vorwiegend als Näherin in Heimarbeit. Ihr Sohn erinnerte sich später in seinem Exil in den USA an sie: „Als Frauenvertreterin, Schriftführerin und Vor-standsmitglied unserer 31. Parteiabteilung, als aktives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt, ehrenamtliche Sozialfürsorgerin und Helferin des Wohlfahrtsamtes gehörte sie zu den geachteten Stützen des lokalen proletarischen Establishments.“ Ihr älterer Bruder, Erich Schmidt, war wie sie in der Sozialistischen Arbeiterjugend und stieg bis zu ihrem Vorsitzenden in Berlin auf. Über ihn schrieb sie nach dem Krieg, in der Entschädigungsakte für ihren Mann Hans Beldner: „Mein Bruder, Erich Schmidt, musste als Vorsitzender der SAJ von Groß-Berlin im August 1933 vor den Nazis flüchten. Letzte Nachricht von ihm aus New York.“

Sie selbst war, wie sie kurz notierte, „außerdem … vor 1933 Mitglied der SAJ und später Mitglied der SPD.“ Sie scheint zu einem späteren Zeitpunkt Mitglied der SAP geworden zu sein, immerhin vermerkt der kurze biographische Eintrag, dass sie für ihre Tätigkeit in der SJVD, dem Jugendverband der SAP, in Haft war. Ihren Ehe-mann, Hans Beldner, kannte sie vermutlich bereits vor seiner Verhaftung durch die Nazis 1934. Er war wie Willy Brandt Mitglied der linken SPD-Abspaltung Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) und gehörte sogar zu ihren Gründern. Hilde ermunterte er, weiterhin Kontakte zu den Freunden in der sozialistischen Arbeiterjugend zu halten. Diese waren meist zum größeren Teil in die SAP nach deren Gründung übergewechselt, der Prenzlauer Berg bildete hier aber eine Ausnahme. Das hing mit ihrem Bruder zusammen, der sich bereits früh nach dem Preußenschlag 1932 der Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ angeschlossen hatte und versuchte, weitere Spaltungen der Arbeiterbewegungen zu verhindern. Die Gruppe Neu Beginnen umfasste vielmehr Mitglieder in SPD wie KPD, die sich konspirativ für ein Zusammengehen der beiden Parteien einsetzen wollten. So gelang es Erich Schmidt zumindest, den größeren Teil der Jugend in der SAJ zu behalten – bei seiner Schwester dagegen nicht.

Die Wohnung in der Lychener Straße wurde am 23. November 1943 zerstört, sie wurde mit ihrer damals 3 ½ jährigen Tochter evakuiert, also aus Berlin ins Umland verschickt.

Die Rückkehr dürfte für sie bitter gewesen sein. Paul Schmidt, ihr Vater, war in den letzten Kriegstagen beim Wasserholen verwundet worden, ein Granatsplitter hatte ihn getroffen. Ohne medizinische Hilfe verstarb er an Blutvergiftung. Hildes Mutter musste den Toten mit einer Schubkarre zum nächsten Sammelpunkt transportieren. Ihr Mann befand sich in Kriegsgefangenschaft bei den US-Amerikanern – als Mitglied einer Strafkompanie in Afrika war er dort 1944 gefangen genommen worden. Für ihn stellte sie nach ihrer Rückkehr einen Antrag auf Anerkennung als Opfer des Faschismus - nicht jedoch für sich selbst. Ihr Bruder war nach Umwegen über die Schweiz, Frankreich und Portugal in den USA angekommen und kehrte nur einmal in den siebziger Jahren für kurze Zeit nach Berlin zurück. Ihre Mutter hatte sich wieder aktiv in die Politik gestürzt, erst in der Be-zirksverordnetenversammlung, im Januar 1947 rückte sie für Ella Kay in die Stadtverordnetenversammlung nach. Als ihre Mutter jedoch nach West-Berlin zog, verlor sie dieses Mandat wieder – die SPD hatte den Sitz für Genossen mit Wohnsitz in Ost-Berlin reserviert.

Hildes Mann verstarb bereits am 23.10.1946. Ob er seine Frau und Tochter wieder-gesehen hat, wissen wir nicht. Hilde Beldner folgte ihrer Mutter in den Westteil der Stadt und ließ ihren Geburtsort, den Prenzlauer Berg hinter sich. Das hat ironischer-weise einen Teil ihrer Geschichte bewahrt. Nur so stöberte sie Hans-Rainer Sandvoß bei seinen Recherchen zum Widerstand in Berlin auf, als Berlin noch geteilt und im Prenzlauer Berg die Geschichte der SPD ein Tabu war.