"Wir sind es denjenigen aber, die wir in den Krieg schicken, schuldig, uns mit ihnen zu beschäftigen." Mit diesem Statement leitete Martin Müller die Veranstaltung "Operation Heimkehr" ein. Zwei Autorinnen - Sabine Würich und Ulrike Scheffer (vorne sitzend) - stellten ihr gleichnamiges Buch vor. In ihm kommen Soldatinnen und Soldaten zu Wort, die aus dem Einsatz zurück nach Deutschland heimkehren. Welche Schwierigkeiten und welche Brüche es dabei gibt, war Thema der Abteilungsversammlung der SPD Helmholtzplatz im April.
Neben SPD-Genossinnen und Genossen waren auch ehemalige Soldaten anwesend, die von ihren Erfahrungen sprachen. Die Autorinnen des Interviewbandes lasen zudem einzelne Interviews vor. Gespannt verfolgten die Anwesenden über 2,5 Stunden lang die Ausführungen und Diskussion. Die Lesung begann mit "Eigentlich war die Zeit in Afghanistan die glücklichste Zeit meines Lebens." Was erstmal ratlos macht. Aber zwischen zivilem Verstehen und dem Erleben der Soldatinnen und Soldaten klafft noch eine weite Lücke.
Viele der Soldatinnen und Soldaten gewannnen einen neuen Blick auf den Wohlstand in Deutschland. "Ich bin nicht bereit, für den Wohlstand meiner Mitbürger zu kämpfen." meinte einer der Soldaten im Interviewband. Weil jeder den Wohlstand genießen wolle, aber ausblende, dass bei einer führenden Wirtschaftsmacht wie Deutschland dazu auch gehöre, Soldaten in den Krieg zu schicken. Oder Intervention, Polizeieinsatz, wie auch immer genannt. Im Einsatzland begegnet einem dann extreme Armut, die nach der Rückkehr umso krasser wirkt, wenn man sich wieder in einer Wohlstandsgesellschaft bewegt. Ein Vater in Afghanistan wollte aus Armut heraus sein vierjähriges Kind einer Soldatin verkaufen. Diese existenzielle Auseinandersetzung mit Armut nehmen viele nach Deutschland mit.
Ein Deutsch-Iraner beschreibt seinen Einsatz für Deutschland so, dass er vielleicht sogar bewusster sein Land verteidigt: er erinnere sich noch an die Zeit unter dem Shah, sehe jetzt wie es in anderen Ländern ist. Deutschland ist dabei ein Land, seine iranische Abstammung sein kultureller Hintergrund. Bis in die Nacht wurde diskutiert. Ein Interview schildert das Schicksal eines Soldaten, der Zivilisten erschossen hatte während einer unübersichtlichen Situation an einem Checkpoint. In Deutschland wurde wegen Totschlags wegen ihn vermittelt, was ihn nicht störte. Wie Staatsanwalt und Richter die Situation aber wie eine Verkehrskontrolle in Deutschland prüften, enttäuschte ihn dann jedoch. "In Kriegen wie diesen gibt es kein rot und blau (die Farben bei Manövern). Der Feind kann aussehen wie ein Bauer". Er ist freigesprochen worden. Man sollte sich aber immer daran erinnern, wenn man Soldaten in solche Einsätze schickt: ein klares Feindbild gibt es nicht mehr. Und damit mehr Verwantwortung und Last für die Soldaten.
Ein Soldat mit jüdischen Wurzeln fasste das Dilemma nochmal deutlicher zusammen in seinem Interview: "Man kann es auch positiv sehen, dass den Deutschen jeder Militarismus abgeht. Aber der Soldat wird damit nur als Dienstleister gesehen, der für Fehler dann belangt wird. In die Einsätze wird sehr geschichtslos gegangen. Aber in der konkreten Gefechtssituation lässt sich eine moralische Überlegenheit nicht darstellen". Zwischen Soldaten und Zivilen besteht eine große Lücke, welche auch die Diskussion über Auslandseinsätze/Krieg erschwert. Dazu, diese Lücke im Verstehen etwas zu schließen, hat die Veranstaltung beigetragen und leistet das Buch einen Beitrag. Ein sehr wichtiger Abend, der eine SPD mitten im Leben zeigt: Diskussionen da zu führen, wo es nicht leicht ist, und mit Menschen zu reden, die von unseren politischen Entscheidungen sehr unmittelbar betroffen sind, anstatt nur über sie zu reden.
Das Buch ist beim C.H. Links Verlag erschienen:http://www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?inhalt=detail&nav_id=1&titel_id=759