Vor 70 Jahren: „Eine Diktatur genügt uns!“. Der Tag am Helmholtz- und Humannplatz

Veröffentlicht am 31.03.2016 in Geschichte

Etwa 70% der Mitglieder beteiligten sich in den Westsektoren, 80% sprachen sich gegen einen Zusammenschluss aus.

Heute vor 70 Jahren stimmten die Mitglieder der SPD in Berlin in einer Urabstimmung über die Vereinigung mit der KPD zur SED ab. Noch in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs ging es dabei um mehr als die Eigenständigkeit der Sozialdemokratischen Partei. Es war auch eine Entscheidung über die Freiheit in West-Berlin. Nur wenn die SPD als demokratische Partei bestehen blieb, konnte es ein demokratisches Berlin geben. Abgestimmt werden konnte jedoch nur in den westlichen Sektoren – und in den Berliner Abteilungen im Ostsektor, die sich gegen die sowjetische Besatzungsmacht stellten. Dazu gehörte auch die SPD am Helmholtzplatz und um den Humannplatz herum.

Durchgesetzt worden war die Urabstimmung als extrastatuarisches Verfahren von einer Versammlung der Funktionäre im Admiralspalast am 1. März 1946. Die Atmosphäre war angespannt: „Der Tag der Entscheidung war gekommen. Auf der Straße, vor dem Saal, im Saal sowjetische Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten, Hunderte von Sowjetoffizieren“ erinnerte sich Franz Neumann. Er war entschiedener Gegner der Vereinigung und ab 1946 Landesvorsitzender der SPD. Trotz der von Uniformen bestimmten, bedrohlichen Atmosphäre und gegen den Willen des sogenannten Zentralausschusses der SPD unter Otto Grotewohl stimmte die Versammlung für eine Urabstimmung und das mit deutlicher Mehrheit. Genaue Angaben gibt es nicht, die Schätzungen liegen bei dreiviertel/fünfsechstel Mehrheit. 

So kam es dazu, dass am 31. März in Berlin eine Urabstimmung stattfand. Die sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) hatte die Durchführung der Urabstimmung in ihrem Sektor untersagt. Dem widersetzten sich viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, nicht ohne Risiko für ihr eigenes Wohlergehen. Dank der KPD sind die Geschehnisse des Tages für uns erhalten geblieben, da sorgfältig ein „Lagebericht über den Verlauf der Urabstimmung“, kurz ein Spitzelbericht, angefertigt wurde.

Um 9.10 Uhr bereits herrschte am Wahllokal in der Stargader Str. 12 reger Betrieb. „Die Wahl nimmt ihren Verlauf und wird durchgeführt“ berichtete der KPD-Informant Ringel enttäuscht. Am Humannplatz war kein Wahllokal eingerichtet, die Sozialdemokraten dort hatten jedoch handgeschriebene Zettel an die Häuser geklebt mit der Anweisung, an der Stargader Str. 12 zu wählen. 

An dem Tag mischten sich erwartungsgemäß auch die Besatzungsmächte ein. Am Arnimplatz fuhren 2 russischer Offiziere vor und nahmen den Abteilungsleiter Thiel nach einer „lautstarken Diskussion“ gleich mit. Die Wahl dort wurde abgebrochen, die Wahlurne beschlagnahmt. Am SPD-Lokal Voigt im Humannkiez (Rodenbergstr. 37) fuhr ein USA-Wagen vor, der kontrollierte, ob eine Abstimmung stattfand. Ein SPD-Genosse, den sie begleiteten, wurde an die Stargader Str. 12 verwiesen. 

Dort war inzwischen (10.03 Uhr) die Abstimmung gestoppt worden, bis eine Genehmigung der Besatzungsmacht vorliege. Der Abteilungsvorsitzende am Helmholtzplatz, Rudolf Quade, „läuft nach der Genehmigung“, wie es der Spitzelbericht vermerkt. Noch am Mittag wurde ein Genosse „von uns“, also der späteren SED, zum Wahllokal am Helmholtzplatz geschickt. Viel war nicht zu erfahren. Der Kreisvorsitzende Werner Rüdiger und der Abteilungsvorsitzende Quade waren noch dabei, eine Genehmigung für die Abstimmung zu besorgen. Aber ganz bürokratisch wurde dieser Versuch zunichte gemacht. Eine Genehmigung wurde zwar erreicht, aber nicht in der notwendigen dreifachen Ausfertigung. 

Mittags dann hatte der SPD-Kreisvorsitzende genug. In einem mit „Achtung!“ markierten Bericht heißt es: „Rüdiger wird wahrscheinlich alles daran setzen, mit Hilfe der Einheitsfeinde, in erster Linie Quade [Helmholtzplatz], Hoppen, Theil [Arnimplatz], alle Gegner der Einheit … zum französischen Sektor zu dirigieren." Das geschah dann zum Missfallen der KPD-Leute sehr erfolgreich. Durch den Gleimtunnel gingen die Genossinnen und Genossen zur Abstimmung ins SPD-Lokal Graunstr. 41. Insgesamt wurden von der SPD am Helmholtzplatz 165 Genossen zur Abstimmung in den französischen Sektor geschickt. Dort bewachten sechs amerikanische Soldaten mit Stahlhelm und Karabiner das SPD-Wahllokal, so dass die Wahl hier ungestört verlaufen konnte. 

Das Ergebnis war für die KPD niederschmetternd. Insgesamt 539 Prenzlauer Berger Genossinnen und Genossen haben sich gegen den Willen der SMAD und KPD an der Urabstimmung beteiligt. Auf die erste Frage: „Bist du für den sofortigen Zusammenschluß beider Arbeiterparteien“ antworten 460 mit Nein, nur 38 mit Ja (11 Stimmen waren ungültig). Für ein Bündnis beider Parteien votierten 294, 153 waren dagegen. 

Das Ergebnis der Zwangsvereinigung war in Berlin eine Spaltung. Im Ostsektor fand die Vereinigung schließlich ohne Beteiligung der Basis statt. Auf Funktionärsversammlungen am 14. April wurde sie für ganz Berlin beschlossen. Doch bereits in der Woche zuvor am 7. April hatte sich in der Zinnowwaldschule in Steglitz die SPD Berlin neu gegründet. So kam es zu einem Nebeneinander von SPD und SED in allen Sektoren Berlins, also auch im Osten, bis zum Mauerbau 1961. 

 
 

Ihre Abgeordnete Clara West

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