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SPD-Abteilung 12 | Helmholtzplatz

Otto Schieritz

1889-1945, Senefelderstr. 33

Otto Schieritz wurde am 10. März 1889 in Berlin Prenzlauer Berg geboren. Sein Geburtsort war die Hagenauerstr. 4, danach zog er in die Göhrener Str. I4, zuletzt in die Senefelderstr. 33.

Er besuchte die Volksschule bis zur ersten Klasse. Von 1909 bis 1912 versah er seinen Wehrdienst bei er Marine. Als ungelernter Arbeiter wechselte er danach mehrere Betriebe. Die Revolution 1918 war für ihn der entscheidende Einschnitt in sein Leben. Er wurde eines der ersten Mitglieder der USPD und wirkte im Arbeiter- und Soldatenrat mit. Er wechselte 1919 zur SPD und trat der Gewerkschaft bei. Bis 1924 gehörter er dem Deutschen Verkehrsbund/Deutscher Transportarbeiter an, danach in der allgemeinen Ortskrankenkasse. Bis zum 15.7.1933 war er im Deutschen Arbeiterverband.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten arbeitete Otto Schieritz im Untergrund weiter. Er hielt unter anderem zu den aus der BVG entlassenen Kollegen Kontakt. Seine Wohnung wurde im Mai 1933 dreimal von der Gestapo durchsucht, vermutlich wurde er verraten. Bei den Folterungen in der Prinz-Albrecht-Straße blieb er standhaft und verriet seine Genossen nicht. Vor dem „Volksgerichtshof“ wurde er am 29.9.1936 im Rahmen des Löffler-Prozesses wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 4 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus, Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Seine Haftzeit verbrachte er u.a. mit Bindfaden zupfen in Annaberg, Brandenburg. Im Aschersdorfer Moor Lager II war er vermutlich bei der Moorarbeit eingesetzt. Die Kultivierung der emsländischen Moore war ein Prestigeobjekt nationalsozialistischer Siedlungspolitik und sollte die Autarkie des Reiches bei der Nahrungsmittelversorgung sicherstellen.

Am 26.9.1940 wurde er aus der Haft entlassen. Seine Frau hatte sich in der Zwischenzeit von ihm getrennt und seinen Besitz verkauft, so dass er mittellos war. Seine Tochter hatte sich ebenfalls in der Nazizeit vom Vater losgesagt und war verlobt mit einem SA-Mann, wie in der Entschädigungsakte vermerkt war.

Er stellte Antrag auf Unterstützungsleistungen der Deutschen Arbeitsfront, die das Vermögen der Gewerkschaften beschlagnahmt hatte, in den er Mitglied war und Beiträge gezahlt hatte. Der Antrag wurde abgelehnt. Das Gericht führte in der Begründung aus: „Die deutsche Arbeitsfront hat gegenüber dem Entschädigungsbegehren des Antragsstellers eingewandt, dass ihr wegen des volks- und staatsfeindlichen Verhaltens des Antragsstellers … nicht zugemutet werden könne, dem Antragsteller eine Entschädigung zu zahlen.“ Der Chef der Sicherheitspolizei sekundierte in einer Auskunft über Otto Schieritz: „dass der Antragssteller gegenüber dem nationalsozialistischen Staat ablehnend gegenüber eingestellt ist. Hinzu kommt noch, dass er sich nach der nationalsozialistischen Erhebung staatsfeindlich betätigt hat. Durch dieses Verhalten hat sich der Antragssteller außerhalb der deutschen Volksgemeinschaft gestellt.“

Am 2. Mai 1945, kurz vor Kriegsende, hisste Otto Schieritz in seiner Wohnung in der Senefelderstr. 33 eine rote und eine weiße Fahne. Wenige Minuten später erschien in der Straße ein Kübelwagen, erzählte der Zeuge Hein später. Dieser war mit mehreren SS-Soldaten besetzt, die mit Maschinengewehren und einer Panzerfaust auf den Balkon mit den Fahnen feuerten. Ein Soldat der Waffen-SS stürmte mit zwei gezogenen Pistolen in das Haus und holte Otto Schieritz mit vorgehaltener Waffe aus der Wohnung. Die Nachbarin Frau Mehl erinnerte sich:

„Ich habe Herrn Schieritz das rote Stück Tuch gegeben, aus dem er die rote Fahne machte… Herr Schieritz wohnte im 4. Stock, genau über mir… Ich habe noch gesehen, wie er abgeholt wurde. Ein SS-Mann ging mit gezogener Waffe hinter ihm. Schieritz musste vor ihm beide Hände heben. Beide gingen dann um die Ecke, die Danziger Straße … hinauf [zur Schultheiss-Brauerei], wo Schieritz dann erschossen wurde.“

Otto Schieritz wurde auf dem Friedhof in der Pappelallee beigesetzt. Seine zweite Frau Gertrud kannte nicht die genaue Grabstelle. Nach dem Krieg kämpfte sie um die Ausbesserung der durch eine Panzerfaust schwer beschädigten Wohnung. In einer Eingabe steht unter „Wo bliebt die Gerechtigkeit“ auch ein anderes Detail, das aus heutiger Sicht verstörend wirkt. Diejenigen, die Otto Schieritz bei der SS verraten haben, wohnen weiterhin im Stockwerk unter der Witwe, trotz Strafanzeige unbehelligt von der Justiz. Der Genosse Löffler bürgte für sie, so dass sie eine Opferrente erhielt. Eine Erhöhung der Opferrente wurde 1956 abgelehnt. Frau Schiritz sehe trotz ihres hohen Alters noch recht gesund und rüstig aus, es sollte ihr so möglich sein, in der Woche wenigstens 2 Stunden im Rahmen der Nationalen Front tätig zu sein. Da sie aber keiner gesellschaftlichen Tätigkeit ausübt oder in einer Kommission des Wirkungsbereichs tätig ist, wird ihrer Bitte um die Erhöhung der Opferrente nicht entsprochen.

Im Gegensatz dazu steht, dass die Zeebrüggestraße 1952 in Schieritzstraße umbenannt wurde. Zeebrügge war ein von den Deutschen eroberter Hafen in Westvlaanderen, Belgien, der zu einem U-Bootstützpunkt ausgebaut wurde. Die Nazis gaben der Straße 1933 in Erinnerung an der Ersten Weltkrieg diesen Namen, davor trug sie den Namen Döblinweg,benannt nach dem  Vorsitzenden des Buchdruckerverbandes. 1965 wurde in einem Hausfest das Gedenken an Otto Schieritz aufrechterhalten.